Toxikologie der Sünde

In den letzten Jahren geht es in gesellschaftlichen Debatten vermehrt um Toxizität in zwischenmenschlichen Interaktionen: Handlungen und die dahinterstehenden Haltungen werden als giftig erlebt – Menschen wurden damit vergiftet und geben bestimmte Dynamiken weiter, indem sie andere damit vergiften. Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang häufig fällt ist z.B. der der toxischen Maskulinität. Ich empfinde das Wort toxisch als hilfreich, um ein soziales Phänomen sichtbar zu machen, das ansonsten schwer greifbar abläuft.

Nun zu einem anderen Begriff- das Wort „Sünde“ hat mir schon seit jeher Bauchschmerzen gemacht. Ich konnte damit oftmals nicht so viel anfangen. Für mich ist es aufgrund seiner historisch gewachsenen Verwendung viel zu stark auf sehr spezifische Handlungen, die (vermeintlich) für alle für immer gelten sollen, angewandt worden (Danke für nichts, Patriarchat!), weil sich damit Menschen natürlich auch sehr gut kontrollieren ließen und noch immer lassen.

Und ja, alle soziale Systeme basieren auf gemeinsamen Regeln, die von den Beteiligten Individuen akzeptiert und mitgetragen und umgesetzt werden. Das dient der Stabilisierung und Orientierung und ist insofern natürlich hilfreich, da wo sie allerdings moralische Bewertungen betreffen, wird es sehr schnell ziemlich heikel.

Nun können Regeln einerseits beschreiben, was eine Gruppe von Menschen tut. Oder mensch bezieht sich eher darauf, wie etwas getan wird, mit welcher hinterliegenden Haltung, Grundeinstellung usw.

Für mich hat Sünde schon seit einer Weile eher bedeutet, dass die Intention einer Handlung, die Motivation, die Haltung also, mit der ich etwas ausführe, ausschlaggebend ist dafür, ob ich etwas als Verfehlung, „Sünde“, als Unrecht einstufe oder nicht. Andererseits ist dafür auch ein Faktor, wie etwas von einer Person, die von meinem Handeln betroffen ist, erlebt wird.

(Ein biblisches Beispiel: Als Yeshua zu einer Frau sagte „Geh fort und sündige nicht mehr“, ist eigentlich nicht mit genannt, was er mit sündigen meint. Ich beziehe solche Stellen auf das wie, nicht auf das was. Demzufolge lese ich eine Aufforderung an sie, zu schauen, ob ihre Haltung, mit der sie handelt, ihr selbst und anderen gut tut und eine heilsame Dynamik abbildet oder nicht. Anscheinend war da irgendetwas ungesund – wie sie mit sich umgegen ließ oder mit anderen umging. Die näheren Umstände sind nicht erklärt. Hinfort „nicht mehr zu sündigen“ ist eigentlich gar nicht möglich, wo doch gerade erst festgestellt wurde, dass nach der Vorstellung der Pharisäer alle Menschen sündigen – und daher ziemlicher Quatsch bzw rätselhaft. Regeln zu übertreten kann also nicht gemeint gewesen sein. Entweder war es also ein Freispruch: „Ich verurteile dich dann auch nicht. Geh los und lass dir nicht wieder einreden, du hättest gesündigt“. Oder es ist ein Impuls: „Tu nichts, was anderen und/oder dir selbst schadet und nicht von Liebe geprägt ist.“ Oder beides. Diese Interpretationen sind für mich jedenfalls sehr wichtig geworden, da ich immer wieder erlebt habe, wie Yeshua von Menschen, die selber sehr wie Pharisäer unterwegs sind, vereinnahmt wird und aus seinen Lehren (oder den vermeintlichen Lehren seiner Nachfolger) Gesetzlichkeiten gemacht und Menschen aufgezwungen wurden und werden, die er selbst zutiefst abgelehnt hat.)

Manchmal erlebe nicht ich mein Handeln als problematisch, aber eine andere Person schon. Es liegt dann an mir zu prüfen, ob ich tatsächlich aus Motiven gehandelt habe, die „unlauter“ waren, also nicht integer, nicht empathisch, nicht menschenwürdig etc. Und das dann möglichst wieder in Ordnung zu bringen.

In anderen Fällen bekomme ich vielleicht von manchen Menschen Zuspruch, merke aber selber, dass ich nicht im Reinen bin mit mir, über meine Grenzen gegangen bin oder über die anderer. (z.B. wenn ich etwas aus unfairen Bedingungen gekauft habe, andere, die das z.B. auch machen damit kein Problem haben).

(Hier könnte man dann nochmal zwischen strukturellen Verstrickungen und individuellen Handlungen unterscheiden. Aus struktureller Sünde/Toxizität (wie z.B. Rassismen, Kapitalismus) lässt es sich nicht mal eben so komplett aussteigen, dennoch können viele einzelne Entscheidungen vieler Indidviduen langfristig zu einer Veränderung beitragen.

Aus individuellen Verstrickungen lässt es natürlich auch nicht immer gleich rauskommen, das bedarf ebenso oft viel Übung und Reifung, Biografiearbeit, Aufarbeitung von veralteten Glaubenssätzen etc und charakterlicher Entwicklung. Und hier gibt es auch kollektive Erfahrungshorizone und Überschneidungen, nur eben keinen gesellschaftlich so etablierten und geförderten Überbau.

In beiden Fällen jedenfalls gibt es Menschen oder ganze Menschengruppierungen, die durch mein Verhalten benachteiligt werden – dann ist einerseits für mein persönliches Empfinden die Kategorie „Sünde“ erfüllt, andererseits verschleiert gerade dieser Begriff das, worum es eigentlich geht, nämlich die konkrete (wenn auch in diesem Falle eher indierekt) Betroffenheit anderer und meine eigene Verantwortlichkeit und Handlungsmacht. Nichts Böses externes kommt über mich und auch nichts schlechtes ist in meiner Natur, sondern die Fähigkeit zu liebevollem empowernden Handeln ist zwar angelegt in mir, aber genauso auch die um mich ignorant/dissoziativ/feindselig oder anderswie abgewandt oder schädlich zu verhalten gegenüber Menschen, die dadurch benachteiligt werden. Mein destruktives Handeln oder Reden schafft Betroffene. (Gar nicht so selten bin ich selbst auch Betroffene – danke für nichts, Selbstsabotage, aber ich erkenne dich immer öfter. ;-))

Oft bedingen individuelle und strukturelle Ebenen sich gegenseitig und die Grenzen sind unscharf. Hier hilft mir der Austausch mit Menschen, die ähnliches erlebt haben und sich von ähnlichen inneren oder äußeren toxischen Einflüssen in ihrem Leben verabschieden wollen.)

Solche Wachstumsprozesse bewusst zu gestalten bedeutet auch, klarzukriegen, wo ich Situationen als wirklich schädigend einstufe und wo aber auch nicht:

Schließlich erlebe ich mich mitunter selbst als schlecht, schmutzig, falsch und merke dann, dass nicht meine tatsächliche Einstellung oder mein konkretes Verhalten problematisch ist – nämlich da, wo weder ich noch irgendwer anders negativ Betroffen ist davon. Sondern dass ich nur das Moralempfinden anderer Menschen, die mich (zu) lange geprägt haben, so verinnerlicht hat, dass es mich vergiftet hat.

Denn ja, dieses Bild finde ich sehr zutreffend – und im gegensatz zum Sündenbegriff weniger aufgeladen mit allen möglichen Bedeutungen.

Ich betrachte menschliche Verfehlungen, die es aus meiner Sicht auf jeden Fall gibt, nochmal anders und empfinde es hilfreich, einfach mal das Wort toxisch statt sündig zu verwenden.

Das lenkt den Blick weg von einem System eines strafenden Gottes, dem wir unsere Sünden bekennen müssen, da wir sonst schuldig bleiben und verdammt werden o.ä. – also eine Welt, aus der Yeshua m.E. alle Menschen eingeladen hat auszusteigen. Und lenkt den Blick hin dazu, aufmerksam zu sein für die Welleneffekte, die unsere Haltung und inneren Motivationen oder Katalysatoren, auf unsere soziale Umgebung haben.

(Auch ein schönes Bild ist dafür, dass Yeshua das Wasser oberflächlich betreten hat und diese Welleneffekte mit jedem seiner Schritte, die er in seinem Leben gegangen ist, trotzdem von seinen Standpunkten und Bewegugnen aus über das ganze Gewässer geschickt hat. Für mich ist das ein viel angenehmeres Bild als das Meer zu teilen..)

Wenn ich an eine Lebendigkeit glaube, die vollkommen heilsam und gut ist zu mir und allen, die damit in Berührung kommen, und die ganze Welt durchdringt. . und wenn Yeshua sogar sinnbildlich in die Hölle gegangen ist, dann gibt es keine unheiligen (sozialen) Orte mehr, die nicht würdig wären, dass alles von Gott genauso dort wirksam sein kann. wenn ich angenommen habe, dass ich angenommen bin und geliebt und nichts dafür tun kann als das zu glauben. (Und nein, auch kein komisches Bekenntnis, das sich mal jemand ausgedacht hat. Oder ein sogenanntes Übergabegebet.. aber dazu lieber ein anderes Mal :))

Wenn ich also daran glaube, dann weiß ich, dass in jedem Menschen immer beides angelegt ist.

Sich in einen Zustand zu bringen, wo wir uns (und andere) von der Möglichkeit abschneiden, an diesen guten Dynamiken Teilzuhaben – dann verhalte ich mich toxisch oder lasse zu, dass andere sich mir gegenüber toxisch verhalten. Dieser Zustand kann soweit gehen, dass wir das als „Hölle“ erleben und sagen etwas „ist die Hölle“, „tut höllisch weh“, „jemand ist durch die Hölle gegangen“, oder jemand „wanderte im finsteren Tal“.

Ebenso ist aber auch ein Zustand möglich und in jedem Menschen angelegt (Merci, Humanismus!), der uns die Möglichkeit gibt, Gegengift zu streuen – Miteinandere genießbar zu machen, indem wir gesund mit uns und anderen umgehen, eine heilsame Haltung einnehmen, die von Annahme und Liebe und auch Verletzlichkeit geprägt ist. (Ja genau, Offenheit mit der eigenen Verletzbarkeit schafft oft so viel Nähe. Wo ein vorgegaukeltes siegreiches unkaputtbares „Ich gehör zu den Geretteten und bin ja so viel richtiger als du“ nur Distanz schafft – und neue Verletzungen.

Ein Zustand also, der das Miteinander entgiftet und sich gesund anfühlt – den können wir als „himmlisch“ betrachten, da fehlt es an nichts, da nimmt die Strategie zur Bedürfniserfüllung der einen Person der anderen nichts weg, im Gegenteil, und Menschen können Erfüllung erleben, die sich heilsam anfühlt. Und ja, das können auch Optionen sein, die anderen „sündig“ vorkommen. Da wo aber alle es als gut erleben, wo also „die Früchte“ tatsächlich gut und genießbar sind, also es allen damit gut geht, ja, da dürfen wir auch glauben, dass es auch wirklich so ist, und feiern, dass Menschen Gott (also das Gute) darin gefunden haben.

Yeshua war ja ebenfalls sehr daran interessiert ein Augenmerk darauf zu leben, welche menschlichen Regeln eigentlich vor dem Hintergrund gar keinen Sinn machen.

Für mich ist das, wofür Yeshua stand, entweder für alle Menschen gleichermaßen da, oder es ist nicht revolutionär.

Paulus ist aus meiner Sicht mit seinen ambivalenten Aussagen die Verkörperung eines tragischen Scheiterns einer Revolution der Liebe bzw. Reformation, wie sie eigentlich gedacht war: Einerseits hat er verstanden und dafür plädiert, dass wir „zur Freiheit befreit“ sind und uns nicht wieder in das Yoch der Gesetze einspannen lassen sollen. Und andererseits hat er selber wieder eine ganze Menge von Regeln aufgestellt, die leider seitdem immer wieder missbraucht wurden, um Menschen eben in Regelkorsetts hineinzuschnüren, die in anderen Kontexten einfach nur ungesunde Auswirkungen haben, zumindest wenn die Haltung dahinter keine ist, die das Wohl des Menschen im Mittelpunkt hat.

Ich erlebe „Gerettetsein“ nicht als etwas, von dem wir nach dem Aufsprechen einer Zauberformel profitieren können und wenn wir regelmäßig bestimmte Verhaltensregeln und Handlungen vollziehen, sicher sind, dass wir auch für immer zu den „Guten“ gehören.

In meinem Leben hat es sich mir oft so gezeigt, dass es zu jedem Zeitpunkt Menschen gibt, die sich gerade auf Haltungen einlassen und davon ihre Worte und Handlungen inspirieren lassen, die blind sind für empathische Zuwendung zu Menschen, die dieser gerade bedürfen. Und zu jedem Zeitpunkt gibt es Menschen, die offen sind, die ein Segen sind, die bestimmte Persönlichkeitsentwicklungsschritte vollzogen haben, die es ihnen ermöglichen, zuzuhören und dazusein, ohne andere kontrollieren zu müssen. Und damit Begegnungen zu etwas „himmlischem“ machen.

Wer diese Menschen sind, ist nach meinem Erleben mitnichten daran gekoppelt, wer sich gläubig oder christlich nennt. Und das deckt sich für mich auch damit, wie Yeshua mit Menschen umgegangen ist.

Es gibt auch z.B. Bibelstellen (für Menschen, denen das sehr wichtig ist), die darauf hinweisen, dass die Werke eines Menschen, die Motivation („das Herz“) und Lebenseinstellung, das entscheidende Kriterium sind, ob jemand gerade den Willen Gottes bzw der heiligen Geistin tut oder nicht. Und nicht irgendeine Konfession oder das Befolgen religiöser Regeln.

Aber solange das Christentum als Religion betrachtet wird und nicht als Hinweise von Yeshua für eine Art, wie alle Menschen freiheitlich im Frieden und ohne übereinander zu herrschen zusammen leben können, wird der Sündenbegriff wohl kaum von seinen tiefsitzenden Konnotationen befreit werden können.

Und solange Christen so an Gesetzlichkeit hängen, dass sie Menschen hervorbringen, die sich schuldig und sündig fühlen, solange bringen sie nichts von dem wofür Yeshua stand, in ihre Umgebung und die Gesellschaft. Sondern nur ungesunde Religiosität.

Deshalb verwende ich lieber Begriffe wie „eine heilsame/gesunde Art Beziehungen zu sich, Menschen und zur göttlichen Kraft (der großen unverfügbaren Güte) zu gestalten“ und -um für mich Sünde klarer werden zu lassen- sage ich „eine toxische/krankmachende/ungesunde Art Beziehungen zu sich, Menschen und zum/zur Spirituellen zu führen“.

Ich glaube, dass die Menschen mit so viel freiem Willen und Intuition ausgestattet wurden (natürlich heißt das nicht, dass sie unbeeinflusst wären von allen möglichen strukturellen und individuellen Faktoren), dass sie selbst in ihrem Kontext individuell einschätzen können, was wohltuend ist und was eher destruktiv.

Und ich glaube, dass das was mit „heiligem Geist“ beschrieben wird, genau diese Intuition gemeint ist, die uns dabei hilft, gesunde Beziehungen schaffen zu können.

Wir bräuchten die nicht, wenn es für alle und immer völlig klare Regeln gäbe. Außer der Sache, dass wir unsere Mitmenschen lieben sollen, haben wir aber keine Regel. Leider leben viele Gläubige nicht so und mich hat genau das viele viele Jahre meines biherigen Lebens vergiftet. Ich habe das selber sehr lange geglaubt. Dass noch so viel anderes zu beachten und einzuhalten ist, um ja keine „Sünde ins Leben“ zu lassen, die dann über mich herrscht usw. (Interessant auch, dass der Begriff weiblich ist, beim heiligen Geist aber immer auf die männliche Form bestanden wird, obwohl im original ebenfalls weiblich). Und komischerweise wurde fast nie über die wirklich destruktiven Dynamiken in dieser Welt gesprochen – also die Unterdrückung und Beherrschung von allen möglichen Lebewesen und deren Freiheiten.)

(Apropos, Podcast Tipp: Antje Schrupp – Das schuldige Geschlecht – Misogynie als gesellschaftskritische Kategorie)

Ich wünsche mir, dass gläubige Menschen aufhören, andere zu sagen „Die Handlung xy ist per se falsch, denn damit versündigst du dich gegen Gott/deinen Mitmenschen/…“, ohne dafür ein schlüssiges Argument vorbringen zu können, wer jetzt davon direkt betroffen ist. Dass sie stattdessen Gott in uns allen sehen und beginnen konkreter und persönlicher zu sprechen: „Die konkrete Handlung/die Worte xy von dir gestern haben mich krankgemacht/wurde von diesem Personenkreis als toxisch empfunden/hat sich mein ganzes Leben lang destruktiv auf mich ausgewirkt.“ Dass die Wirkungskreise aufgezeigt werden, unter denen andere oder wir selbst leiden/unterdrückt werden/usw. Hinter allgemeinen Regeln lässt sich so viel leichter verstecken, konkrete Betroffenheit ist persönlicher und kann auch mehr Verbundenheit schaffen.

(Leider funktioniert das nur, wenn sich alle Beteiligten darauf einlassen. Ich kenne auch religiöse Menschen, die sich als besonders nah an Gott betrachten, aber gar nicht damit auseinandersetzen möchten, wie sie mit dem vermeintlichen Aufzeigen von gesellschaftlichen Sünden anderen Menschen tiefe emotionale Wunden zufügen. Wenn ich mich davon nicht vergiften lassen möchte, darf ich auf Abstand gehen und mir Menschen suchen, die offen und zugewandt und liebevoll sind, dort begegnet mir dann Yeshua und macht komischerweise keinen Unterschied, ob die Menschen gläubig sind oder nicht, um heilsame Segenskreisläufe in Gang zu bringen.. größer als alles eben.)

Ebenso kann auch die eigene Intuition vergiftet sein und dann sollten Menschen nicht damit argumentieren, der heilige Geist habe ihnen etwas gesagt (oder in heutigem Kontext menschenfeindliche Interpretationen der Bibel seien geistinspiriert), wenn doch offensichtlich Verletzungen passieren durch das, was sie weitergeben. Nur weil andere sich nicht betroffen fühlen oder es sogar gut finden, heißt es nicht, dass es ok ist/in Gottes Sinne ist/von Liebe geprägt ist.

Die Liebe Gottes ist m.E. humanistisch. Sie stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Und diese Transformation oder gar Transzendenz von krankmachenden Spiralen in unseren Gruppen und Gesellschaften und Beziehungen.. die braucht mehr als ein kurzes Lippenbekenntnis oder Gebet. Tiefes Versinken in die eigenen Abgründe. Das ist emotionale Arbeit. Das ist auch über eigene Schatten springen. Das ist Verletzlichkeit. Das fühlt sich nicht an wie „I’m gonna be a history maker in this land“. Aber genau das ist es – es kann im Kleinen beginnen und immer größere Kreise ziehen, Wellen die oberflächlich scheinen, aber das menschliche Miteinander tiefgreifend verändern können, zum besseren und schöneren Leben für alle.

Bekehrung und Erlösung, genauso wie Sünde, das sind keine religiösen Kategorien mehr für mich. Es sind seelisch-mystische, systemische, soziologische, oftmals psychologisch/neurobiologisch, aber auch politisch erfass- und erklärbare Prozesse, um die wir nicht drumherumkommen, wenn wir wirkliche Veränderungen für diese Welt wollen, deren Teil wir ebensosehr sind wie das Göttliche und das Dunkle. Und diese sind Teil unserer inneren Welt, der wir nicht entkommen sondern für die wir zuallererst zuständig sind und lernen sollten, darin zu leben, und zwar so gut und heilsam und frei und lebendig wie möglich.

Gemeinde – Organismus oder Organisation?

Da ich gerade viel unterwegs oder einfach damit beschäftigt bin, das Ende meiner Elternzeit zu genießen, komme ich derzeit nicht so oft dazu, meine Gedanken in Beiträge zu gießen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen Artikel teilen, den ich vor ein paar Monaten für die Korrekte Bande geschrieben habe.

Er handelt von unserer Vorstellung darüber, was Kirche bzw. Gemeinde ist, und dass unser Bild davon, wie das so auszusehen und zu funktionieren hat, stark von Prägungen beeinflusst wurden, die so überhaupt nicht von Jeshua kommen, der vom Reich Gottes gesprochen hat…

Wir können heute nicht exakt rekonstruieren, wie Jeshua sich das vorgestellt hat- die Sache mit Petrus, dem Stein, der Gemeinde (so er dieses Wort überhaupt ursprünglich benutzt hat, dazu gibt es verschiedene Ansichten).

Wir können allerdings eine breitere Palette erstellen dessen, wie es noch aussehen könnte, heute hier und jetzt etwas mitzugestalten, was das Geheimnis des unerschöpflichen Lebens weiter lebendig erhält und teilt- und so zu einem gesellschaftlichen Gegenentwurf wird (ja, auch und gerade zur religiösen Landschaft!), der eine liebende Schöpfer:innenkraft bezeugt, die Gefangenen befreit und zum Segen für alle Menschen wird.

Und ja, wir dürfen auch historisch sehr verfestigte Strukturen hinterfragen, hallelujah. Wir müssen es sogar unbedingt, wenn wir Machtsysteme überwinden wollen, welche im Zusammenhang mit fragwürdigen theologischen Inhalten an den Bedürfnissen von Menschen vorbeiagieren und eher als Normierungsinstitutionen denn als Zellen für kreativen und liebevollen Widerstand fungieren. Lasst uns Kirche und Gemeinde vor diesem Hintergrund reflektieren.

Ich möchte andere Formen von Segenskreisläufen erkunden und mitgestalten. Welche die nicht so sehr mit festen exklusiven kirchlichen Organisationen, die sich in ihren kirchlichen Räumen treffen um kirchliche Veranstaltungen abzuhalten, zu tun haben.

Sondern die ganz anders aussehen und viel gestaltbarer sind für das große liebevolle Schöpferische.

Ich möchte Prägungen, die mich von der Welt wegziehen, anstatt zu ihr hin, abschütteln wie Staub, und weitergehen und die Wege hinter offenen Türen von Orten und Personen des Friedens erkunden und dort die heilige Geistkraft treffen, die längst da ist und uns einander vorstellt.

Hast du auch Lust darauf?

Hast du auch schon entdeckt, wie solche Segensnetzwerke entstehen können, ganz abseits von in großem Stil durchorganisiertem Gemeindebau, und wie die trotzdem (oder gerade deshalb) so richtig doll nach einem Reich der Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit riechen? Ich freu mich davon zu hören. 🙂

Und nun noch der Artikel zum Nachlesen:

Gemeinde ist das, was wir nicht in der Hand haben (2/2020)

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Hand auf’s Herz: Wenn du das Wort „Gemeinde“ oder vielleicht auch „Kirche“ hörst, an was denkst du? Mir fiel in den letzten Jahren auf, dass es ein relativ starres Bild von Gemeinde gibt, das sich selbst in Freakskreisen sehr vehement durchgesetzt hat und immer wieder hartnäckig reproduziert wird. Selbst von denen, die ahnen, dass das vielleicht gar nicht der einzige Weg ist, die Sache mit Jesus zu verstehen und fortzuführen. Gleichzeitig bleiben aufgrund fehlender Alternativen immer mehr Menschen nicht nur den Christ:innen, sondern auch dem Glauben fern. Höchste Zeit, sich die Sache einmal genauer anzuschauen.

Die klassische Gemeinde ist ziemlich statisch

Das Bild, welches gewohntermaßen beim Begriff „Gemeinde“ auftaucht, ist die Vorstellung von einer abgegrenzten Organisation aus Christ:innen, mit regelmäßigen Gottesdienst-Veranstaltungen (meist mit überwiegend frontalem Programm) and klaren (zeitlichen und örtlichen) Treffpunkten. Ob es eine stark verbindliche Zugehörigkeit gibt, wird dabei verschieden gehandhabt. Es gibt Programme, geregelte Abläufe und Angebote, die von manchen mitgestaltet und von anderen konsumiert werden. Einige fühlen sich in solch einer Organisation gut aufgehoben und machen bereichernde Glaubenserfahrungen. Manche wissen es zu schätzen, dass sie einfach nur hinkommen und da sein können. Das ist eine Gemeinde, die du klar benennen kannst, wenn dich jemand fragt, „in welche Gemeinde du gehst.“

Alternative Organisationen – still haven’t found what I’m looking for

Manche Menschen haben sich abgewandelten Formen zugewandt und betrachten z.B. einen Hauskreis, eine Lebensgemeinschaft oder ein Begegnungscafé als etwas Gemeindeähnliches. Auch diese Strukturen bedürfen einer geregelten Organisation und eines gewissen Grads an Verbindlichkeit von Mitgliedern, um zu funktionieren. Auch dort können in Gemeinschaft Lieder gesungen, Gebete gesprochen, geistliche Impulse geteilt, die Schrift ausgelegt oder Glaubensschritte eingeübt werden.

Umso erstaunlicher war es für mich immer wieder zu hören, dass viele dieser Gruppen sich sehr schwer tun, sich als vollwertige Gemeinde zu bezeichnen aufgrund fehlender öffentlicher Gottesdienst-Veranstaltungen. Und vielleicht auch, weil der feste Kern doch eine relativ exklusiv funktionierende Gruppe ist. Abhilfe geschieht dann nur selten dadurch, an der eigenen Gemeinde-Identität anzusetzen, sondern vielmehr wird das eigene Projekt durch punktuelle Besuche einer „richtigen“ Gemeinde ergänzt. (So besuchen manche z.B. Programme für Kinder oder zu Weihnachten mal einen „richtigen“ Gottesdienst, wie mensch ihn klassischerweise kennt.) Mich beschäftigt diese Beobachtung sehr, weil sie zeigt, dass das klassische Gottesdienstbild sehr wirkmächtig ist, durch welches oft ein Minderwertigkeitsempfinden herrscht, obwohl doch ein öffentliches Programm nicht das Kriterium dafür sein sollte, ob eine Gemeinschaft jesusmäßig unterwegs ist oder nicht.

Stell dir vor, es ist Gemeinde und niemand geht hin

Aus diesem Grunde – dass ein Programm nicht maßgeblich sein sollte – pflegen manche einfach nur noch einen christlichen Freundeskreis und erhoffen sich, dass dieses Netzwerk als Gemeinde-Ersatz taugt. Erstmal ein lohnenswerter Ansatz – so kann auch gut der burnoutprädestinierten Maschinerie entkommen werden, zu dem eine Gemeinde mit vielen Mitgliedern dann doch schnell mal werden kann.

Doch auf der anderen Seite vom Pferd wartet auch ein bisschen Potential, sich etwas vorzumachen: So eine Gemeinschaft bietet zwar theoretisch die Möglichkeit, dass jederzeit über Glaubensthemen gesprochen und auch mal gebetet werden kann. In der Realität taucht aber die Frage auf, inwiefern sich die Freundschaften doch auch ganz gut selbst genügen, sodass es irgendwann eigentlich nur noch darum geht, eine nette Zeit in einer kleinen homogenen Gruppe miteinander zu haben, zu grillen oder zu brunchen. Spirituell kann solch eine Gemeinschaft irgendwann eher einem stehenden Gewässer ähneln anstatt einem sprudelnden Bach. Inwiefern anders tickende oder am Rand stehende Menschen etwas von der gemütlichen Runde haben und inwiefern Glaube dadurch frisch und fruchtig bleibt und ein Verb statt Überzeugungen, ist dann so eine Sache … und ja, dann ist die Frage auch berechtigt, inwiefern das Ganze tatsächlich das abbildet, was Gemeinde eigentlich soll, nämlich Jesus. Ergänzende Online-Impulse wie theologische Vorträge, kreative Aktionen oder Festivals hinterlassen dennoch oft den Gedanken, dass derlei über’s Jahr verteilte Glaubens- Puzzeleien doch kein Ersatz für eine „richtige“ Gemeinde sind … aber die will mensch doch auch gar nicht mehr. Aber was denn dann? Und was will eigentlich Jesus? 

Ist da noch mehr?

Natürlich können je nach Mensch und Lebensphase verschiedene dieser Strukturen hilfreich und wichtig sein – sich verbindlich in eine kirchliche Gruppe einbringen wie auch eine andere Art von Projekt auf die Beine stellen. Oder eben auf Abstand zu gehen mit Formen, die der eigenen Lebens- und Glaubensrealität gar nicht mehr entsprechen und sich erstmal auf Gemeinschaft zu besinnen.

Es geht gar nicht darum, bestimmte Konzepte an sich nicht mehr zu billigen. Jedoch ist es sehr bezeichnend, dass in der Art, ob und wie Gemeinden konstruiert werden, immer wieder nur eine Definition von Gemeinde sich wirklich durchzusetzen scheint.Absurd ist das Ganze deswegen, weil Jesus uns nie dazu aufgefordert hat, Gemeinden nach dieser Definition zu gründen und am Leben zu halten.

Sitzgemeinschaften statt Laufbegegnungen

Das Bild von einer Kirche, in die man gehen kann und in der geregelte Gottesdienste stattfinden, in die man „sich reinsetzen“ und die man „verlassen“ kann, beruht auf Interpretationen, die sich durchgesetzt haben und zu bestimmten Konzepten und Institutionalisierungen führten.

Schon Petrus und Paulus haben bestimmte Aspekte des Gemeindelebens entworfen und geprägt, die nicht von Jesus selbst vorgegeben worden sind. Diese von ihnen für eine bestimmte Gegend und Zeit angefertigten Skizzierungen, das Ausprobieren und Anwenden werden zudem ausschließlich auf Organisationen bezogen gelesen. Weil wir Kirche nur so kennengelernt haben, weil es sprachlich und habituell unhinterfragt weitergegeben und reproduziert wurde. Dabei gäbe es vielfältige Möglichkeiten, „Weide meine Schafe“ (Johannes 21,15-19) oder „Sie blieben beständig in dem, was sie gelernt haben; und in Gemeinschaft“ (Apostelgeschichte 2,42) anders umzusetzen, als eine religiöse Institution aufzubauen und zu verwalten.

Nach den Aposteln wurden verschiedenste Sachverhalte von prägenden Personen miteinander diskutiert und dann in einer bestimmten Richtung festgelegt, sodass sich auch die Vorstellung verfestigte, dass zur Nachfolge eine Religion namens Christentum gehört und Kirche eine feste Ansammlung von Christen in einem Gebäude ist, in dem Gottesdienste stattfinden, wo wenige vielen wöchentlich etwas beibringen.

Nun ist es vielleicht ein alter Hut, dass alle Menschen, die Gottes Liebe für sich entdeckt haben, die weltweite Kirche darstellen und „unser ganzes Leben ein Gottesdienst sei“ (Römer 12,1-2). Warum verhalten sich denn dann aber die allermeisten Christ:innen nicht so? Sondern bestehen darauf, weiterhin ein anderes, vielleicht von Anfang an völlig missverstandenes Bild von Kirche(n) aufrecht zu halten?

Kann Gemeinde nur ohne Gemeinden funktionieren?

Wie könnten andere Bilder von Gemeinde aussehen – könnte sie auch ganz anders funktionieren?

Für mich ist eine Aussage von Jesus erneut wichtig geworden, nämlich die: Nicht wir werden Gemeinde(n) bauen (also weder gründen, noch am Laufen halten, noch organisieren!), sondern er wird bauen (Matthäus 16,18). Oder genauer gesagt, sie – die heilige Geistkraft, die ihn abgelöst hat (Johannes 14-16).

Klingt vielleicht erstmal abgehoben – könnte aber vielleicht das einzige sein, was z.B. in diesen und künftigen Zeiten mit extrem hoher Fluktuation, Flexibilität, Diversität und Ambiguität der Lebendigkeit Gottes in menschlichen Gemeinschaften einen angemessenen Platz einräumen kann:

Da, wo z.B. verschiedene Gottesbilder im Raum sind, passt es vielleicht nicht mehr, nur ein einziges zu predigen, zu fördern und zu besingen und für die immer gleichen Menschen alles mögliche vorzugeben – wie könnte Gemeinschaft aussehen, die das anders handhabt? Und lässt sich sowas überhaupt in fest umgrenzten Organisationen umsetzen?

Da, wo die Geistkraft auch durch Kinder spricht, durch Unmündige, Ungebildete, Andersgläubige sprechen möchte – wie können wir Lehre (also Bildung in spirituellen Dingen) auf anderem Wege verstehen und erwarten als nur durch eine frontale Predigt von dafür ausgewählten und vorbereiteten Menschen?

Und was, wenn Jesus gerade nicht an den von uns vorgesehenen Treffpunkten zur von uns vorgegebenen Zeit durch unser vorbereitetes Programm handeln will – sind wir dafür überhaupt offen? Inwiefern können sich Programme und Gruppen auf so etwas überhaupt einlassen, wo sie vielleicht Klarheit, Vertrautheit und Beständigkeit bieten möchten?

Was, wenn Jesus nicht mal wollte, dass Menschen Christ:innen werden und ein Christentum praktizieren (also bloß eine weitere Religion, die dann aber „die richtige“ ist)? Was wenn wir uns einfach mit allen Menschen an einen Tisch setzen, uns einladen lassen, ihnen heilsam begegnen sollen, Glaubenssätze unserer eigenen Prägung hinterfragen und uns sogar von Menschen, die etwas anderes glauben als wir unsere eigene Sicht korrigieren lassen sollen? All das sind Dinge, die Jesus getan hat.

Was ist, wenn Gemeinde nicht deckungsgleich ist mit der Gruppe, mit der du dich jeden Sonntag triffst, und auch nicht mit deinem Hauskreis oder deiner Freundesrunde, sondern alle Menschen, mit denen du gerade in Kontakt bist, von denen du merkst, dass Gott sie dir in dein aktuelles Leben (oder dich ihnen) schickt und die dir irgendwie ans Herz wachsen? Was ist, wenn das gar nicht alles Christ:innen sind? (Und die das auch gar nicht werden müssen, weil Gott für alle Menschen gleichermaßen da ist?)

Ist es nicht solch eine Gemeinschaft, die den Namen „Gemeinde von Jesus“ erst so richtig verdient hat?

Und ja, dann ist es nebensächlich, ob du aktuell eine feste Gruppe mit Programmen besuchst und dort mitarbeitest, ob du eine andere Art von Gemeinschaft oder Projekt mitbetreibst oder ob du dich einfach mit Freund:innen triffst. Aber gleichzeitig ist dann auf einmal klar, dass all das nicht „Gemeinde“ ist und vielleicht ist es gut, wenn wir anders darüber zu sprechen beginnen.

Gemeinde ist das, was wir nicht in der Hand haben

Dann endlich darf Gemeinde das sein, was die kreative Geistin, die weht, wo sie will, gerade mit allen möglichen Lebewesen vorhat. Und das kann verrücktere und heilsamere Verbindungen und Ereignisse zustande bringen, als wir es mit unseren begrenzten Vorstellungen von Gemeinde je könnten. (Denn sobald wir diese auf etwas festlegen, kann Gott ja kaum noch dran rütteln, oder?)

Es können sich dann auch völlig unabhängig von bestehenden festen Gruppen fluide und flexible und nicht an Zeit und Raum gebundene Netzwerke bilden (und auch schnell mal ändern), die unsere größte Verbindlichkeit und Hingabe, unser bestes Organisationstalent und unsere kompetentesten Modelle für Gemeinde weit in den Schatten stellen.

Dann wäre es wieder authentisch zu sagen: God is in control (and she never makes mistakes?).

Das hieße auch Kontrolle abzugeben, indem wir eben nicht mehr von „Gemeinden“ sprechen und damit klar geregelte lenkbare christliche Organisationen mit Programmen meinen. Und dazu würde auch gehören, dass nicht wir beschreiben, wer zu welcher „Gemeinde“ gehört. Sondern dass wir das Gott entscheiden lassen, irgendwann mal zu beurteilen oder auch nicht.

Im Fokus steht dann stattdessen, dass die sich manifestierende Liebe Gottes sich unabhängig von religiösen Systemen auf alle (!) Menschen dieser Welt zubewegt und ihnen da heilsam und offen und ressourcenteilend begegnet, wo sich ihr Leben abspielt. Durch alle Menschen, die sich daran beteiligen. Und dass dabei unendlich viele ineinander verschränkte Netzwerke entstehen, sich verändern, nicht greifbar oder etikettierbar sind, aber trotzdem Halt geben und helfen, die Liebe untereinander zu erhalten.

Ein Traum von Gemeinde, die ganz anders ist als das, was gemeinhin als Gemeinde bezeichnet wird

Ich träume davon, dass in Zukunft mehr Platz ist für weiter gefasste Vorstellungen von Gemeinde. Und dazu wird gehören, dass wir den Begriff auch sprachlich anders verwenden. Ich bin überzeugt, dass darin ein großer Schatz liegt – gerade für gemeinde-müde Menschen. Und für Menschen, die (aus verständlichen Gründen) keinen Bock mehr auf Christentum haben, aber eigentlich das, was wir als von Gott kommend bezeichnen, auch gut finden und sich danach sehnen – ein versöhntes, liebevolles, erfülltes und friedfertiges Leben.

Ob ich „derzeit eine Gemeinde habe“? Fragen wie diese erübrigen sich mit dieser Perspektive, ja, sie machen überhaupt keinen Sinn mehr und sind sogar irreführend, weil sie komplexere Verbindungen nicht abbilden und wieder nur auf Organisationen mit Veranstaltungen abzielen, als seien diese ein selbstständiger Organismus. Sie sind es nicht.

Inwiefern in meinen sozialen Kontakten göttliche Inspiration sichtbar wird und an mir und anderen handelt und wirkt? Eine weitaus sinnvollere Frage. Und das hängt ganz allein davon ab, was seine kreative Kraft tut und ob ich sie erwarte und mich dafür öffne, auch außerhalb der planbaren Rahmungen. Und ich muss das nicht erst in einen Gottesdienst tragen, damit es wirkt und andere erreicht. 

Wir alle dürfen selbstständig und mündig als Priester:innen leben und uns bewegen. Wir dürfen uns verbindlich einbringen und Gott wird um jede:n von uns herum einen lebendigen Organismus manifestieren. Wow!

Gottes Gemeinde ist überall und nirgendwo, in dieser Welt verstreut und jeder Tag ist wieder ein Abenteuer mit dem Göttlichen, das so groß und differenziert und komplex funktioniert, dass keine Gruppe von Christ:innen es jemals definieren und verwalten könnte. Und gleichzeitig kann es in jeder Art von noch so bescheidener popeliger zwischenmenschlicher Zusammenkunft die vollste Auferstehungskraft zelebrieren. Wie geil ist das denn, hallelujah. Darin entdecke ich das Leben von Jesus wieder.  Das ist, wie ich Gemeinde verstehen will, wie ich Gott Gemeinde bauen lassen möchte- lasst sie uns nicht festhalten, wenn sie morgen weiter wehen will, als wir es heute rahmen können.


Sylvi Kegel (30) lebt mit Kind, Kegel und Katzen in Leipzig und schreibt seit kurzem über Glaubensveränderungen auf abseits.blog.